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1915

Grundbesitzer macht Pius-Hospital zu Alleinerben

Der Gutsbesitzer Alfred Heye aus Butjadingen vermacht dem Pius-Hospital seiner Güter. Dank dem Moralismus eines evangelischen Pfarrers erbte das katholische Krankenhaus Ländereien im Wert von einer halben Million Mark. ….

Carl Alfred Heye war ein alter Mann, als er am 17. März 1915 auf seinem Landgut in Neuenfelde die Augen für immer schloss. An seiner Seite waren nur seine langjährige Hausdame, zwei Mägde und ein Knecht. Eine Familie hatte Carl Alfred Heye nicht. Er hatte nie geheiratet, und seine  einzige Schwester war schon seit mehr als zwanzig Jahren tot.

Sie sei eine unsolide Person gewesen, munkelte man. Und bei ihrer Beerdigung auf dem Kirchhof zu Elsfleth habe es einen Skandal gegeben, von dem man noch lange sprechen sollte: Obwohl die Heyes als sehr reiche Familie hohes Ansehen in der evangelischen Kirchengemeinde genossen, ließ der Pfarrer es sich nicht nehmen, in seiner Grabrede eine flammende Predigt gegen den übermäßigen Genuss alkoholischer Getränke zu halten. Jeder Anwesende wusste, wie dies zu verstehen war: Der Pfarrer verurteilte posthum und unverhohlen den Lebenswandel der Verstorbenen. Carl Alfred Heye schäumte vor Wut. Und am 6. März 1895 – also fast auf den Tag genau 20 Jahre vor seinem eigenen Tod – beurkundete er diese Wut in seinem Testament. Statt, wie dies bei Unverheirateten oft üblich war, seine evangelische Kirchengemeinde zu begünstigen, setzte er das katholische Pius-Hospital im nahe gelegenen Oldenburg zum Alleinerben ein. Er ließ zur Erklärung sogar ausdrücklich festhalten:

,,… dass ich durch einen allgemein bekannten Vorgang auf dem hiesigen Kirchhof bei der Beerdigung meiner Schwester hierzu bewogen bin“ .

Carl Alfred Heye besaß Ländereien im Wert von fast 500.000 Mark, hinzu kamen Bargeld, Staatspapiere, ausländisches Geld und Anleihen, Aktien und Forderungen an diverse Unternehmen und Banken im Landkreis in einer Gesamtsumme von mehr als 300.000 Mark, außerdem Vieh im Wert von 6.505 Mark und Möbel, landwirtschaftliche Geräte, Gold- und Silbersachen. Alles in allem kam eine Summe von 901.276,96 Mark zusammen. Ein kleines Vermögen. – Carl Alfred Heye hatte zwar einige Legaten ausgesetzt, die ein Jahr nach seinem Tode ihren Anteil erhalten sollten. Es handelte sich dabei um Summen zwischen 300 Mark (für den Paten Alfred S.) und 30.000 Mark (an ein Fräulein Johanne M. in Oldenburg).

Der Löwenanteil jedoch kam, wie Carl Alfred Heye es verfügt hatte, dem Pius-Hospital zu Gute – und auf diese Weise den Patienten. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Pius ein reines Pflegehospital, ein „Gasthaus“ also für Pflegebedürftige, ohne festangestellte Ärzte. Nun aber war Geld für einen Ausbau da. Unmittelbar nach dem Krieg – währenddessen das Pius-Hospital als Lazarett beschlagnahmt war – wurde mit dem Aufbau ein er chirurgischen Fachabteilung begonnen, die 1919 eröffnet werden konnte. 1920 folgte eine Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie, 1921 di Innere und 1927/28 bekam das Pius-Hospital eine Röntgenabteilung. So konnte das katholische Hospital in Oldenburg ausgerechnet durch die Hilfe eines evangelischen Erblassers die ersten Schritte hin zu einem modernen Krankenhaus machen.